Deutsch Intern
Institute of Political Science and Sociology

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Medienwissenschaftlicher Workshop "Affektivität und Medien"

10/21/2023

Über affektive Kommunikation und Neue Medien ist in den Sozial- und Kulturwissenschaften in den vergangenen Jahren breit diskutiert worden. Der Forschungs- und Lehrbereich der "Speziellen Soziologie" hat angesichts der empirischen Dringlichkeit dieses Zusammenhangs diesen Themenkomplex dennoch erneut aufgreifen und im Hinblick auf Theorie und Praxis von Medien zur Diskussion gestellt.

Heutige Formen von affektiver Kommunikation entfalten sich oftmals medial vermittelt und verweisen damit auch auf einen Medien-Effekt. Diesen Zusammenhang von neuen medialen Aufschreibesystemen und der Emergenz von affektiver Kommunikation hat der internationale Workshop "Affektivität & Medien", der am 11. und 12. Oktober 2023 am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Würzburg stattfand, aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Als Referent:innen geladen waren sowohl Vertreter:innen aus den Literatur-/Medienwissenschaften als auch aus der Soziologie aus der Bundesrepublik, Österreich, Schottland und der Schweiz.

Affektive Kommunikation als Medienphänomen impliziert unterschiedliche Aspekte: Beobachten lässt sich affektive Kommunikation im Internet vielleicht zunächst als populistische Kommunikation, die sich an dem Geschmack der Masse orientiert (vgl. Döring et al. 2021; Koschorke 2021). Aus Pöbeleien und Emotionen Einzelner im Netz können dann  sog. Shit-Storms entstehen, in dem viele Kommunikations-Teilnehmer:innen ihr Missfallen zum Ausdruck bringen. Affektive Kommunikation wird dann sozusagen als die dunkle Seite populärer Kommunikation sichtbar, die den Konsens einer liberalen Gesellschaft zu bedrohen scheint (Habermas 2021). Insofern wird affektive Kommunikation auch als Störung im Sinne von Abweichung sichtbar.

Als Medienphänomen emergieren affektive Kommunikationen häufig deshalb, weil die medialen Aufschreibesysteme des Internets diese regelrecht einfach zu ermöglichen scheinen: die schnelle Taktung von Kommunikationsereignissen vor einem dispersen Publikum in der Netzwerk-Öffentlichkeit (Wagner 2019) ermöglichen Kommunikationsofferten, die sich eben nicht mehr länger auf das Vorbringen besserer Argumente verlassen müssen. Man könnte vielleicht maximal von „kleinen Formen“ (Balke et al. 2021) der Kommunikation sprechen, die im Netz schließlich auch dazu führen, „invektive“ Kommunikation (Ellerbrock et al., 2017) wahrscheinlich werden zu lassen.

Neben „invektiver“ Kommunikation, also Hass-Kommunikation, werden im Netz aber dann auch Öffentlichkeiten sichtbar, die im Sinne eines „Candy-Storms“ funktionieren: maximale Zustimmung einer breiten Masse lässt medial vermittelte Öffentlichkeiten emergieren, die dann eben schlicht über Wahrnehmungsfragen und Betroffenheiten (hierzu etwa: die „MeToo“-Debatte), also eher über die biografische Auskunft und eher nicht als argumentativer Austausch über bessere Argumente sichtbar werden und prozessieren.

Der Workshop hat diese Formen von affektiver Kommunikation aus einer explizit medienwissenschaftlichen Perspektive verhandelt (Barth/Wagner et al. 2023). Dabei wurden sowohl empirische als auch theoretische Überlegungen mit einbezogen. 

Programm des Workshops


Literatur:

  • Balke, F./ Siegert, B./ Vogl, J. (2021): Kleine Formen. Archiv für Mediengeschichte 19, Berlin: Vorwerk 8.
  • Barth, Niklas/Wagner, Elke/Raab, Philipp/Wiegärtner, Björn (2023): Contextures of Hate. A Systems Theory Literature Review on Hate Communication on Social Media Platforms. Under Review.
  • Döring, J./Werber, N.et al. (2021): Was bei vielen Beachtung findet: Zu den Transformationen des Populären. In: Kulturwissenschaftliche Zeitschrift 2, 6. Jg., S. 1–24.
  • Ellerbrock, D., Koch, L., Müller-Mall, S., Münkler, M., Scharloth, J., Schrage, D., & Schwerhoff, G. (2017): Invektivität – Perspektiven eines neuen Forschungsprogramms in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Kulturwissenschaftliche Zeitschrift, 2(1), 2–24. doi.org/10.2478/kwg-2017-0001 
  • Habermas, J. (2021). Überlegungen und Hypothesen zu einem erneuten Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit. Leviathan, 49 (Sonderband 37), 470 – 500. 
  • Koschorke, A. (2021): Anpassung nach unten? Versuch über Vulgarität. Leviathan, 49. Jg., 2/2021, S. 231 – 243.
  • Wagner, E. (2019): Intimisierte Öffentlichkeiten. Pöbeleien, Shitstorms und Emotionen auf Facebook. Bielefeld: transcript.

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