Programm im Wintersemester 2025/26: Nachhaltigkeitspolitik in der Defensive?!
Die Nachhaltigkeitsziele stehen heute in der Defensive. Die UN-Bestandsaufnahme von 2024 zeigt, dass die Weltgemeinschaft bei der Umsetzung der Agenda 2030 stark vom Kurs abgekommen ist: Nur 17 % der bewertbaren Zielvorgaben sind bis 2030 noch erreichbar, während nahezu die Hälfte (48%) mäßige bis starke Kursabweichungen aufweist. Bedenklich sei, so der Bericht, dass 18 % der Ziele auf dem Stand von 2015 stagnieren und 17 % sogar rückläufig sind. Da die Ursachen für die Probleme bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele weniger technisch-ökonomischer, sondern politisch-institutioneller Natur sind, ist es Aufgabe der interdisziplinären sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung, sich mit diesen gesellschaftspolitischen Umbrüchen zu befassen, diese einzuordnen und Erklärungen sowie Lösungsansätze zu entwickeln.
Die interdisziplinäre Veranstaltungsreihe wird die Debatten unter folgenden thematischen Schwerpunkten aufgreifen und mit Gastvortragenden, Forschenden sowie Studierenden weiterführen:
Die Europäische Nachhaltigkeitspolitik in der Defensive?
Geopolitische Spannungen, Energiekrisen und die Folgen der COVID-Pandemie setzen auch die EU bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele unter Druck. Mit dem Clean Industrial Deal soll die Industrie entlastet, Energiepreise gesenkt und die internationale Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Das Wuppertal Institut bewertet den Ansatz als wichtiges Signal, da er Transformation, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit verbindet. Kritisch bleibt jedoch die Unklarheit, ob die notwendigen Finanzierungen aufgrund der Verlagerung der Verantwortung auf die Mitgliedsstaaten mobilisiert werden können. Zudem liegt der Fokus stark auf Recycling und Versorgungssicherheit. Neue Geschäftsmodelle der Kreislaufwirtschaft und das Prinzip „Energy Efficiency First“ geraten dadurch in den Hintergrund.
Deliberative Demokratie als Lösungsstrategie
Ein weiterer Fokus der Veranstaltungsreihe soll die Deliberative Demokratie als mögliche Lösungsstrategie darstellen. Die Zahl deliberativer losbasierter Verfahren auf internationaler, nationaler und besonders kommunaler Ebene hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Wenig untersucht sind jedoch hierbei so genannte hybride Bürgerräte, die sich aus gemeinsamen Vorhaben von öffentlichen Entscheidungsträgern, der Zivilgesellschaft und privaten Akteuren ergeben. Dabei stellt sich die Frage nach den Gelingensbedingungen solcher herausfordernden Formate – insbesondere angesichts wachsender Vorbehalte gegenüber Nachhaltigkeit und Partizipation auf lokaler Ebene.
Nachhaltige Bildung als Lösungsstrategie
Die Bildung für nachhaltige Entwicklung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung mit der aktuellen Defensive der Nachhaltigkeitsziele. Während die öffentliche Unterstützung für Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit schwindet, gewinnt Bildung als langfristige Transformationsstrategie an Bedeutung. Ziel 4.7 der Sustainable Development Goals (SDGs) betont, dass alle Lernenden bis 2030 Kompetenzen für nachhaltige Entwicklung erwerben sollen. Schulen und Hochschulen sind dabei nicht nur Orte der Wissensvermittlung, sondern auch zentrale Räume zur Förderung von Werten, Haltungen und Handlungskompetenzen. Daher soll im Rahmen der Veranstaltungsreihe unter anderem diskutiert werden, wie Bildung und Bildungssysteme zur Förderung nachhaltiger Entwicklung beitragen und zugleich resilient gegenüber politischen und gesellschaftlichen Gegenströmungen bleiben können.
Mit der angebotenen Veranstaltungsreihe für das Wintersemester 2025/26 wollen wir die aktuellen Dynamiken aufgreifen und das Thema "Nachhaltigkeitspolitik in der Defensive?!“ im Spannungsfeld von Normativität und Normalität beleuchten.
Veranstaltungen im Wintersemester 2025/26
Das Potential von Bürger*innenräten: Welche Rolle können sie in unserem politischen System spielen?
Dr. Matthias Gsänger, Philipp Kessler und Levi Rhomberg (JMU)
Dienstag · 25.11.2025 · 18:15 Uhr
Raum 03.103 · Wittelsbacherplatz 1
Am 25.11.2025 um 18:00 Uhr c.t. findet in Raum 03.103 am Wittelsbacherplatz ein Vortrag von Dr. Matthias Gsänger, Philipp Kessler und Levi Rhomberg (alle JMU) zum Thema „Das Potential von Bürger*innenräten: Welche Rolle können sie in unserem politischen System spielen?“ statt. Der Würzburger Zukunftsrat zur „Gerechten Mobilität" zeigt exemplarisch: Wie werden Bürgerräte legitimiert? Werden die Empfehlungen umgesetzt? Wie herrschaftsfrei kann Diskussion sein? Wir präsentieren das Projekt, betten es demokratietheoretisch ein und vergleichen es mit internationalen Erfolgen und Misserfolgen. Zudem laden wir zu einer Diskussionsrunde mit selbst wählbarem Schwerpunkt ein. Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme und einen regen Austausch!
Normativität und Kritik: Politische Bildung im Kontext von Nachhaltigkeit und Transformation
JProf. Dr. Steve Kenner (Pädagogische Hochschule Weingarten)
Montag · 15.12.2025 · 18:15 Uhr
Raum 03.105 · Wittelsbacherplatz 1
Am 15.12.2025 um 18:00 Uhr c.t. findet in Raum 03.105 am Wittelsbacherplatz ein Vortrag von JProf. Dr. Steve Kenner (Pädagogische Hochschule Weingarten) zum Thema „Normativität und Kritik: Politische Bildung im Kontext von Nachhaltigkeit und Transformation“ statt:
Bildung in Zeiten autoritärer Versuchungen und multipler Krisen ist in besonderer Weise herausgefordert. Vor allem Politische Bildung als demokratischer Bildungsauftrag mit Verfassungsrang steht dabei in einem Spannungsfeld zwischen normativen Grundlagen und der Notwendigkeit junge Menschen dazu zu befähigen kritisch auf bestehende Verhältnisse zu blicken. In dem Vortrag werden die Potenziale und Herausforderungen für politische Bildung im Kontext von Nachhaltigkeit und Transformation herausgearbeitet.
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Der Würzburger Zukunftsrat: Deliberative Demokratie als Lösungsstrategie
Vortrag und Diskussionsrunde mit Vertretenden aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft
Mittwoch · 21.1.2026 · 18:30 Uhr
Kellerperle
Bodenschätze: Über Verwertung und Vergesellschaftung – Das Recht als Lösungsstrategie
Buchdiskussion von PD Dr. Anna Meine (Universität Münster), Dr. Philipp Gieg (JMU), PD Dr. Verena Frick (JMU) und Prof. Dr. Isabel Feichtner (JMU)
Mittwoch · 28.1.2026 · 18:15
Raum 03.103 · Wittelsbacherplatz 1
Die Veranstaltungsreihe wird unter anderem in interdisziplinärer Zusammenarbeit der Professur für Sozialwissenschaftliche Nachhaltigkeitsforschung mit dem Lehrbereich der Politischen Theorie, dem Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Europaforschung, der Professur für Öffentliches Recht und Wirtschaftsvölkerrecht und dem WueLAB umgesetzt. Inhaltlich schließen die Veranstaltungen an die Debatten aus dem Sommersemester 2023 zum Thema „Transformatives Nachhaltigkeitswissen", aus dem Wintersemester 2023/24 zum Thema „Nachhaltigkeit als Herausforderung für die deliberative Demokratie“ und dem Sommersemester 2025 zum Thema „Verhandlung, Vermittlung und Verrechtlichung globaler Nachhaltigkeitsziele“ an.
