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Institut für Politikwissenschaft und Soziologie

Forschung und Lehre

Aktuelle Forschungsprojekte

Öffentlichkeit und Privatheit im Web 2.0

(gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft)        

Die Allgegenwart digitaler Vernetzungsmöglichkeiten und die Teilnahme einer immer größeren Anzahl von Personen an Social Network Sites (SNS) ist aus modernen Gesellschaften nicht mehr wegzudenken. Dabei kaprizieren sich die vorherrschenden Debatten über die Auswirkungen dieser Omnipräsenz auf die Verhandlung von Krisendiagno­sen. In Gefahr befindet sich auf der einen Seite eine politische Öffentlichkeit, deren demokratisch und dialogisch ausgerichteten Foren und Institutionen dem Druck der Neuen Medien nicht gewachsen sind. Auf der anderen Seite wird die Erosion einer Privatsphäre beobachtet, deren Immunsystem den technischen, ökonomischen sowie politischen Möglichkeiten der Vernetzungsmedien nichts entgegenzusetzen hat. Unklar bleiben in der Debatte dabei sowohl die begrifflichen Grundlagen – Öffentlichkeit, Privatheit, Medien – als auch eine empirische Erforschung der tatsächlichen medialen Vermittlungen. Hier setzt das Forschungsprojekt an: Am Beispiel der derzeit in der Nutzung zentralen SNSs wie Facebook und parship.de soll untersucht werden, wie sich die praktische Herstellung von Öffentlichkeit und Privatheit unter veränderten medialen Bedingungen transformieren. Dabei wird erstens eine Neuaushandlung der Unterschei­dung von öffentlich und privat anvisiert. Zweitens wird empirisch der Wandel der Kommunikationsfor­men unter veränderten medialen Bedingungen analysiert.

Lehrveranstaltungen

Auswahl an Seminaren zum Thema Medien seit dem Wintersemester 2017/18:

Soziale Erwartungsstrukturen richten sich heute oftmals nach dem Populären aus: Findet ein Thema, eine Person, ein Gegenstand, eine Praxis allseits Beachtung und ist damit populär, so kann es auch als gesellschaftliches Phänomen Relevanz erlangen. Dies gilt dann selbst für jene Phänomene, die einmal als sakrosankt erschienen, weil sie von einer gesellschaftlichen Elite vorgebracht worden sind – die alte Unterscheidung von high and low culture scheint insofern nicht mehr als Distinktionsmittel zu greifen; vielmehr hat sich die high culture von ehedem nun gleichfalls nach dem großen Publikum zu richten. Neue Medien (Social Media) spielen bei der Herstellung des Populären dabei eine zentrale Rolle: Likes, Ratings und Rankings sorgen dafür, die Logik des Populären auf Dauer zu stellen und zu verbreiten. Dabei kann die Produktion des Populären bereits historisch als Medieneffekt gelesen werden: Bestseller-Listen, Hit-Paraden und Modetrends wurden stets auch durch mediale Prozesse vermittelt. Das Seminar greift diese Medieneffekte auf und diskutiert die Bedeutung des Populären für aktuelle gesellschaftliche Diskurse aus mediensoziologischer Sicht. Dabei stellt das Seminar etwa ein neues, an der Univ. Siegen etabliertes Forschungsprogramm zur „Transformation des Populären“ (Döring e al. 2021) vor und diskutiert gleichermaßen Praktiken und Formen des (normativ betrachtet) Unpopulären, wie etwa Hass im Netz (Wagner 2019). Seminar-Teilnehmer:innen sollten sich nicht vor fachfremden Texten scheuen und auch erste Schritte ins Feld wagen wollen.

Prüfungsleistung: Erwartet wird von allen Prüfungsteilnehmer:innen die Übernahme einer Moderation. Die benotete Prüfungsleistung sieht das Abfassen einer Hausarbeit vor (10-15 Seiten); die unbenotete Prüfungsleistung einen Essay (3-5 Seiten).
 

Einführende Literatur:

Döring, Jörg/Werber, Niels et al. (2021): "Was bei vielen Beachtung findet: Zu den Transformationen des Populären". In: Kulturwissenschaftliche Zeitschrift 2, 6. Jg., S. 1–24.

Aktuell lässt sich eine Entwicklung feststellen, die sowohl sozialwissenschaftliche als auch alltagsweltliche Humankategorisierungen (Hirschauer 2014) in kulturelle Differenzen übersetzt bzw. nahezu vollständig in diesen aufgehen lässt. Soziologen beobachten (und betreiben) aktuell eine gesellschaftliche Diskursverschiebung hinsichtlich der vorherrschenden Fassung von sozialen Unterschieden. Was etwa im Zuge des Framings der sogenannten Flüchtlingskrise, der Erklärungen des aufkommenden Populismus oder der #me-too-Debatten sichtbar wurde, ist die zunehmende Plausibilität, mit der auf Kultur (etwa im Gegensatz zu ökonomischen Kategorien) verwiesen wird, wenn es um die alltagsweltliche aber durchaus auch wissenschaftliche Bezeichnung von sozialen Unterschieden geht. Gerade auch ehemals als „natürlich“ interpretierte Unterschiede werden nun tendenziell als kulturelle Unterschiede verstanden. Das Seminar stellt sich anhand unterschiedlicher öffentlicher Debatten die Frage, welchen Unterschied (!) die Praxis des Bezeichnens von Unterschieden ausmacht.

Literatur: Hirschauer, Stefan (2014): Un/doing Differences. Die Kontingenz sozialer Zugehörigkeiten. Zeitschrift für Soziologie 2014: 170-19.

Sei es der Einkauf beim Online-Versandhändler Amazon, sei es die Suche mit Hilfe der Suchmaschine Google, sei es die Kommunikation auf der Social  Network Site Facebook – immer öfter greifen Algorithmen in das Soziale ein, ordnen und regeln Aufmerksamkeitsökonomien. Das Seminar widmet sich diesen technischen Beobachtern des Sozialen aus soziologischer Sicht. Gefragt wird anhand von aktuellen Studien, wann algorithmische Steuerungskultur eigentlich wirksam wird und wie sie in das Soziale eingreift. Dabei unternimmt das Seminar auch einen historischen Rückblick auf die technische Beobachtung des Sozialen. Denn schließlich können die frühen Sozialstatistiken des 19. Jahrhunderts soziologisch gleichsam als technische Beobachter des Sozialen eingeordnet werden. Was unterscheidet aber diese frühen Formen von heutigen? Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Seminars sollten nicht nur zur Lektüre bereit sein, sondern sich auch darauf einlassen, empirisch dem Phänomen der Algorithmisierung des Sozialen nachzuspüren.

Das Seminar möchte sich nicht aus einer normativen, sondern aus einer empirischen Perspektive dem Phänomen „Hass im Netz“ widmen. In Auseinandersetzung mit aktuellen Studien zum Thema wird nach der Empirie des Aufkommens von Hass im Netz gefragt: wie lässt sich Hass im Netz konzeptionell fassen? Wie lässt er sich regulieren? Wie lässt er sich beforschen? Dabei kommen unterschiedliche Befunde wie jene einer agonistischen Öffentlichkeit (Chantal Mouffe) oder von „affective publics“ (Zizi Papacharissi) zum Tragen.

Das Seminar befasst sich mit dem Wandel des Journalismus im Digital Age. Dabei geht es zunächst den Fragen nach, wie sich dieser Wandel auf den journalistischen Arbeitsalltag auswirkt und welche sozioökonomischen Folgen der Wandel hat. Des Weiteren wird gefragt, welche Rolle Algorithmen und Online-Messungsverfahren spielen, und ob es zu einer Veränderung von Publika kommt. So werden zum einen theoretische Texte gelesen zum anderen empirische, welche eine Veränderung in Sozial-, Sach- und Zeitdimension ausmachen.

Dass Medien als Forschungsgegenstand der Sozialwissenschaften auftauchen, ist eng an die These gekoppelt, dass sie soziale Praxis prägen und zu deren Wandel beitragen. Schon die frühe Medientheorie der Kulturwissenschaften beginnt am Anfang des vorigen Jahrhunderts ihre Beschäftigung mit Medien deshalb, weil sie davon ausgeht, dass es die Medien sind, die sozialen Wandel herbeiführen. Der Buchdruck etwa produzierte Leser, wo vorher nur Zuhörer und Erzähler waren, was zu weitreichenden Folgen im Hinblick auf das Aufkommen von Kritik und Öffentlichkeit geführt hat. Das Internet wiederum produziert Schreiber resp. Prosumenten, deren Praxis nun all das durcheinander zu wirbeln scheint, was die bürgerliche Gesellschaft einmal als etablierte Asymmetrien von Rollen eingeübt hatte. Das Seminar führt zunächst in die theoretische Annahme ein, dass Medien soziale Praxis prägen und verändern. Im Weiteren wird es dann darum gehen, sich ganz konkrete Veränderungsformen anzusehen: Woran wird medialer Wandel eigentlich sichtbar? Wie zeigt sich der Einfluss des Mediums? Und was wird dabei überhaupt zu einem Medium gemacht und was nicht? Sowohl historische als auch aktuelle Fallbeispiele sollen hierfür als Anschauungsbeispiel dienen.

Literatur: Kümmel, Albert (et al) (2004): Einführung in die Geschichte der Medien. Paderborn. Baecker, Dirk (2007): Studien zur nächsten Gesellschaft. Frankfurt / Main. S. 7-13.

Es sind insbesondere datenschutzrechtliche Debatten über das Internet, die den gesellschaftlichen Fokus wieder auf die Frage gerichtet haben: was ist Privatheit? Sprechen die einen von post privacy und damit der zunehmenden Auflösung von Privatheitsgrenzen im und durch das Netz, weisen die anderen auf die Notwendigkeit von datenschutzrechtlichen Maßnahmen hin, um sozusagen die letzten Reste von Privatheit noch einhegen zu können. Das Seminar nimmt diese Debatte zum Anlass, einmal nach den sozialtheoretischen und gesellschaftlich-empirischen Voraussetzungen von Privatheit zu fragen. Wie entsteht die Praxis der Privatheit? Wo liegen ihre Grenzen? Die Soziologie kennt einen breiten Fundus an wissenschaftlicher Beobachtungen über die Genese und den Wandel einer privaten Praxis, die sich zunächst als bürgerliche Praxis ausbuchstabieren lässt und unter anderem von medialen Aufschreibesystemen abhängig sich transformiert. Das Seminar nimmt diese soziologische und kulturwissenschaftlich informierte Spur auf, um letztlich mögliche Wandlungsprozesse von Privatheit auch empirisch in den Blick nehmen zu können. Teilnehmer und Teilnehmerinnen dieses Seminars sollten sich auf zweierlei Herausforderungen einstellen: einmal auf die Lektüre auch fachfremder Texte, zum anderen darauf, selbst einmal in einem kleineren empirischen Projekt der Praxis der Privatheit auf den Grund zu gehen.

"Die Medien" sind an allem schuld! Diesen Eindruck kann man gewinnen, wenn man massenmedialer Berichterstattung folgt, aber auch die Medienwissenschaften und die Mediensoziologie scheinen dieser Ansicht zu sein und damit vor allem "Massenmedien" zum Gegenstand ihrer Beobachtung zu machen. Auf der Grundlage einflussreicher Medientheorien und anhand differenzierter Medienbeispiele soll im Seminar gezeigt werden, dass die Soziologie der Medien grundlegender fragen muss und Medien nicht so einfach mit Massenmedien gleichsetzen kann, wenn sie die Vielfalt der Medien und ihre sozialen Bedingungen und Konsequenzen für mediale Kommunikation erfassen will.

The Facebook scandal, Google, Amazon – Big Data and algorithms are hotly debated. The International IPS Winter School asks from a sociological point of view: What are algorithms actually doing? How do they shape the social? How can Big Data be perceived sociologically? (www.powerofalgorithms.de)

Eine Zusammenfassung der Inhalte der Winterschool findet sich hier.

Zudem finden im Lehrbereich regelmäßig Einführungs- und Fortgeschrittenen-Kurse zu Qualitativen Methoden statt.