Intern
Institut für Politikwissenschaft und Soziologie

COVID-19 and Domestic Violence in Germany

Prof. Dr. Janina Steinert und Dr. Cara Ebert

Zum Vorlesungsbeginn im neuen Jahr trug Professorin Janina Steinert von der Technischen Universität München zum Thema: „COVID-19 and Domestic Violence in Germany” im Rahmen der AK Gender Online-Vortragsreihe „Gender und Corona“ im Wintersemester 2020/21 vor. Die Veranstaltung war mit über 100 Teilnehmer*innen sehr gut besucht - ein Beleg für die hohe Relevanz des Themas.

Die Frage, ob im Zuge der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie das Risiko für Frauen und Kinder zu Opfern häuslicher Gewalt zu werden steigt, wurde von Prof. Dr. Janina Steinert und Dr. Cara Ebert im Rahmen einer repräsentativen Studie erstmals für Deutschland untersucht. Gewalt an Männern und sexueller Missbrauch von Kindern sind im Rahmen der Studie nicht erfasst, werden jedoch in ihrer Bedeutung nicht in Frage gestellt.

Häusliche Gewalt umfasst einerseits physische Gewalt und sexuelle Gewalt, sowie alle Formen emotionaler und psychischer Gewalt (z.B. Einschüchterung, Mobbing, Entwürdigung). Diese Ausprägungen der häuslichen Gewalt stellen global und in Deutschland die häufigste Form der Gewalt dar.

Die Daten der Studie wurden aus drei unterschiedlichen Datenquellen generiert. Zur Prüfung, welche Auswirkungen die Lockdown-Maßnahmen auf häusliche Gewalt haben, wurden 3.800 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren online befragt. Der Befragungszeitraum zwischen 22. April und 8. Mai 2020 deckt die Phase der strengsten Kontaktbeschränkungen ab. Zudem wurde die Anzahl von deutschlandweiten Hilfsgesuchen an Stellen, die sich mit dem Thema „Gewalt an Frauen“ in Deutschland befassen, einbezogen. „Hilfstelefone“, Beratungsstellen und Frauenhäuser wurden kontaktiert; die administrativen Daten decken eine längere Zeitspanne ab und lassen Aussagen zu, ob die Anzahl der Hilfsanfragen im Zuge der Pandemie angestiegen sind. Ergänzend wurden Expert*inneninterviews mit Sozialarbeiter*innen und Berater*innen geführt (Ergebnisse ausstehend).

Die ersten Ergebnisse der Onlineumfrage zeigen, dass 3,1% der befragten Frauen von körperlichen Auseinandersetzungen mit ihrem (Ehe-)Partner innerhalb des letzten Monats betroffen waren, in 6,5% der befragten Haushalte kam es zu körperlicher Bestrafung von Kindern (z.B. Ohrfeige, Stoß, etc.), wobei nicht erfasst ist, ob die Gewalt von der Mutter oder dem Vater ausging. 3,8% der befragten Frauen fühlten sich von ihren (Ehe-)Partner*innen bedroht, 2,2% durften ihr Haus nicht ohne Erlaubnis ihrer (Ehe-)Partner*innen verlassen und von 4,6% der Frauen regulierten die (Ehe-)Partner*innen soziale Kontakte mit anderen Personen.

Die Daten lassen einen Anstieg von Hilfsgesuchen um den 22. März 2020, also mit Beginn des ersten Lockdowns, erkennen. Aus den Daten geht ein Anstieg von 25% im Zeitraum der schärfsten Kontaktbeschränkungen hervor, der in Bundesländern mit strikteren Maßnahmen sogar noch ausgeprägter ist. Besonders betroffen ist die Gruppe der 15- bis 39-jährigen Frauen. Zu den Risikofaktoren der häuslichen Gewalt während des Lockdowns zählen Heimquarantäne, finanzielle Unsicherheit, „schlechte“ mentale Gesundheit und die Care-Arbeit.

Die Implikationen der Studie für die Politik sind die stärkere Bewerbung von Hilfsangeboten in der Öffentlichkeit, der Ausbau des Onlineangebots für Hilfe und Beratungen, z.B. per Online-Chat, WhatsApp oder Email sowie die Aufstockung der Notbetreuungen für Kinder, die nicht nur von Eltern in systemrelevanten Berufen genutzt werden können. Zudem sollten auch psychologische Beratungen und Therapien online angeboten werden. Frauenhäuser und Hilfestellen müssen systemrelevant bleiben und ausgebaut werden.

Der AK Gender dankt Professorin Steinert für den interessanten Vortrag sowie allen Teilnehmer*innen für das Interesse, auch an der anschließenden Diskussion.

Link zu bundesweiten und regionalen Unterstützungsangeboten für Betroffene häuslicher Gewalt

Lektüreliste Gender & Corona

Für alle Interessierten haben wir eine umfangreiche Lektüreliste zum Thema Gender & Corona zusammengestellt, die hier als PDF-Dokument heruntergeladen werden kann. Die Lektüreliste wird im kommenden Semester durch zwei spannende Veranstaltungen ergänzt. Genauere Informationen werden demnächst bekannt gegeben.

Lektüreliste Gender & Corona