English Intern
Institut für Politikwissenschaft und Soziologie

Silvesternacht in Köln – eine offene Diskussion

"Silvesternacht in Köln – eine offene Diskussion" - Veranstaltung des AK Gender

Am 21.1.2016  traf sich der AK Gender des IPS zu seiner dritten Veranstaltung in diesem Semester. Nachdem die ersten beiden Veranstaltungen sich mit Rollenstereotypen und der Frage „Wie sexistisch ist unsere Gesellschaft?“ auseinandersetzte, widmete sich der AK dieses Mal dem Thema “Silvesternacht in Köln – eine offene Diskussion”.

Die Koordinatorinnen des AK Genders, Theresa Stawski, Tanja Wolf und Katharina Wagner, gingen zunächst kurz auf den aktuellen Stand der Ermittlungen der Polizei zu den Geschehnissen am Kölner Hauptbahnhof ein. Auf Basis von Analysen der Agentur der Europäischen Unionen für Grundrechte, sowie der Organisation Terre de Femmes, wurden einige Fakten über das Ausmaß der sexualisierten Gewalt in Europa generell und speziell in Deutschland vorgestellt. So sind im europäischen Durchschnitt 55% aller Frauen von sexueller Belästigung betroffen wobei weniger als 20% der sexuellen Übergriffe außerhalb der eigenen vier Wände stattfinden. In Deutschland ist fast jede siebte Frau von sexualisierter Gewalt betroffen. Lediglich 5% der Sexualdelikte werden zur Anzeige gebracht, was unter anderem auf die weit verbreitete Kultur des Victim Blamings sowie auf die Verharmlosung sexueller Gewalt in Deutschland zurückgeführt werden kann. In nur 13% der Fälle kommt es zu einer Verurteilung des Täters. Unter Rückbezug auf Willhelm Heitmeyer wurde dargelegt, dass es bei den Kölner Vorgängen weniger um die Triebbefriedigung einzelner Täter, sondern vielmehr um die Ausübung von Gewalt und Macht ging. Zudem begünstigen Gelegenheitsstrukturen etwa an Silvester (kritische Masse, Gedränge, Lärm, Alkohol) eine derartige Eskalation der Ereignisse.

Im Anschluss an den Input entzündete sich eine spannende und durchaus kontroverse Diskussion zwischen den Teilnehmenden. Es wurde die Frage debattiert, inwieweit ein Vergleich zwischen den sexuellen Übergriffen, die jährlich das Münchner Oktoberfest charakterisieren, und den Kölner Übergriffen gezogen werden kann. Es wurde kritisch beleuchtet, dass in Deutschland bisher lediglich bezüglich einer bestimmten Menschengruppe, in diesem Fall Menschen mit Migrationshintergrund, über sexuelle Gewalt diskutiert wird, während sexualisierte Gewalt als gesamtgesellschaftliches und tief verwurzeltes Problem nicht thematisiert wird. Während sich der Diskurs der Medien und der Politik auf die Frage nach den Tätern fokussiert, bleiben die betroffenen Frauen in dieser Debatte unberücksichtigt. Das dritte Treffen des AK Genders macht zweierlei deutlich: sexualisierte Gewalt wird dann zum Thema, wenn die mutmaßlichen Täter nicht-deutscher Herkunft sind und sie sich somit für andere Themen, in diesem Fall die Flüchtlingspolitik, instrumentalisieren lässt. Und sexualisierte Gewalt in Deutschland als gesamtgesellschaftliches Problem wird weiterhin von Politik, Medien und Teilen der Gesellschaft verharmlost, zum Teil sogar negiert.